1. 16.09: Circusland Besalu

2. 12.08: Kulturspaziergang Vilabertran

16.09.2021 – Zum Zirkusmuseum in Besalu

Circusland Zirkusmuseum Besalu
Eingang Circusland Besalu

Als „Kulturspaziergänger“ haben wir manche spektakuläre Vorstellung beim internationalen Zirkusfestival in Figueres erlebt, erst im Castell Ferran, dann auf dem Festgelände. Organisator und „Zirkusdirektor“, der durchs Programm führte, war Genís Matabosch. Es gibt wohl kaum jemanden, der in Zirkusangelegenheiten so beschlagen ist wie dieser Katalane aus Figueres. 2019 wurde er an der Universität Barcelona zum Doktor promoviert, mit einer Arbeit über die Geschichte des Zirkus, wohl der erste und einzige „Zirkusdoktor“. Lange Zeit bemühte er sich um die Eröffnung eines Zirkusmuseum in Figueres in der historischen Casa Nouvilas. Es sollte seine große Sammlung zirzensischer Dokumente und das Archiv der von ihm gegründeten „Circus Arts Foundation“ aufnehmen. Das Projekt zerschlug sich an manchem Widerstand politischer Kräfte in Figueres – eine verpasste Chance für die Stadt! 

2019 wurde dann das Museum in Besalu eröffnet, im Gebäude des ehemaligen Miniaturenmuseums und Teilen des früheren Konvents. Es firmiert unter dem Namen „Circusland“. Und tatsächlich eröffnet sich dem Besucher auf drei Stockwerken die ganze Landschaft der zirzensischen Künste, mit ihren einzelnen Bereichen, von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Voll war es nicht, als wir morgens am Museum ankamen, wie überhaupt der Besucherandrang in Besalu, den man von früher her kannte, nicht zu bemerken war. Das mag mit Corona zusammenhängen, aber was das Museum betrifft, wohl auch damit, dass seine Existenz noch nicht sehr bekannt ist.

 

Unsere Besichtigung begannen wir noch gemeinsam. Aber dann zerstreuten wir uns. Die vielen Ausstellungsstücke und – bereiche rufen unterschiedliches Interesse hervor. Jeder bleibt an dem hängen, was ihn faszinierte – und da gibt es vieles: bunte Plakate, prächtige Gewänder, Modelle… 

Eintritt ins Museum

Verlockende Zirkuswelt...

Zirkusdisziplinen...

Wohl jeder verweilte lange an der maßstabsgetreuen ausgedehnten Nachbildung (Maqueta) des deutschen Zirkus Gleich (1924-1937). Hier wurde das ganze Leben und Treiben eines berühmten historischen Zirkus mit allen Einzelheiten nachgebildet.

 

Am besten beginnt man die Besichtigung im 2., obersten Stockwerk (Anfänge des Zirkus, Zirkusdisziplinen) und wandert dann nach unten.

Natürlich ließen wir uns es nicht nehmen, einen Spaziergang durch einen Teil der alten Grafen- und Königsstadt mit ihren historischen Gebäuden zu machen. Der historische Kern ist als „kulturelles Kulturgut“ anerkannt und steht unter Denkmalsschutz. Vorher warfen wir einen Blick in die schöne romanische Kirche Sant Vicenç mit den Löwenfiguren über dem Portal. Dann wanderten wir den Weg an der königlichen Kurie, dem Hospital Sant Julià und dem Eingang zur Mikwe, dem jüdischen Ritualbad, hinunter, mit dem Blick auf das Flussufer des Fluvià, auf Gärten und die mittelalterliche Brücke mit ihren Bögen und Tortürmen, dem Wahrzeichen der Stadt. Wir lösten die Frage, warum die Brücke einen Knick hat, was mit den Felsenstützpunkten im Fluss zusammenhängt. Dann stiegen wir wieder in die Stadt hinauf und fanden ein Restaurant mit einer schönen Gartenterrasse mit Blick auf das Flusspanorama, auf der wir uns niederließen. Bei guter Bedienung und schmackhaften Gerichten beendeten wir den Besuch Besalus.   

12.08.2021: Kulturspaziergang Vilabertran

Wir suchten eine Oase der Ruhe. In Roses und Empuriabrava drängelten sich die Touristen. Wir wußten, wenn nicht gerade die Schubertiade oder ein Popkonzert in Vilabertran stattfindet, trifft man hier meist auf nur wenig Besucher. Dabei ist die Canònica Santa Maria eine der schönsten Klosteranlagen in Katalonien.

 

Um der Tageshitze zu entgehen, fuhren wir früh los, Richtung Vilajuïga, dann auf die N 260, auf dieser biegen wir kurz vor Figueres rechts ab. Wir parken hinter der Canónica und nahmen erst einmal einen Kaffee in dem nahen Lokal "La Sínia" zu uns.

 

Dann machen uns über den großen Platz auf den Weg in das Dorfzentrum. Wir stoßen auf eine gemauerte Brunneneinfassung. Das ist eine der sogenannten Sínies

 

In und um Vilabertran wurde Wasser für Felder und Gärten aus Grundwasserbrunnen gewonnen. Im Kreis laufende Maultiere trieben ein Räderwerk an, mit dessen Hilfe Wasser – in diesem Fall – mit tellerförmigen Schüsseln (Platines) geschöpft wurde. Die Einrichtung und der Name geht auf die Araber zurück.

 

Wir schlendern in den Ort hinein, wenig Menschen, Einwohner, die ihren Geschäften nachgehen. Die engen, blitzsauberen Gassen (kein Hundedreck und Müll wie in Roses zu sehen) sind schattig und kühl. Wir kommen auf auf der Plaça Catalunya an, dem Zentrum des Orts. Einige Läden, Bars und ein großes, repräsentatives Gebäude mit geschlossenen Läden, vielleicht einmal das Rathaus.

 

Wir spazieren weiter. Wir haben ein bestimmtes Ziel, den Torre d´en Reig, der im Gassenwirrwarr etwas schwer zu finden ist. Wegzeichenschilder helfen uns weiter.

Vor einem der Häuser treffen wir auf einen Katalanen. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und er lädt uns in sein Haus ein. Der Mann entpuppt sich als ein großer Sammler alter katalanischer Gegenstände. Als erstes sehen wir im Eingangsbereich eine Kutsche. Der Raum danach ist angefüllt mit Vorrats- und Trinkkrügen, katalanischer Keramik und Utensilien zu Weinherstellung.

Nach der unvorhergesehenen - aber willkommenen - Begegnung und Besichtigung  gehen wir weiter Richtung Torre d´en Reig. einer schönen Jugendstilvilla mit Garten und Turm. Heute sind darin Rathaus und Schule untergebracht. Leider stehen wir trotz (offenbar nicht angekommener) E-Mail-Anmeldung vor verschlossenen Toren - wegen Corona ist das Rathaus geschlossen. Sonst wurden wir immer sehr freundlich empfangen.

 

Torre d´en Reig: Modernisme-Anlage (Jugendstil) mit Turm und Park, erbaut 1909 von dem Forstingenieur Joseph Reig i Palau. Sein Neffe, der Maler und Kunstlehrer erbte das Haus und machte es zu einem Treffpunkt von Künstlern   ( u.a. Dalí) und Literaten. 1959 wurde die Anlage von der Gemeinde erworben und wird heute als Rathaus mit öffentlichen Einrichtungen und Schule genutzt.

 

Vom Torre ist es nicht weit zum Vorplatz der Klosterkirche. Auf dem Weg sehen wir das Muschelzeichen, das uns sagt, dass hier der katalanische Weg nach Santiago de Compostella vorbei führt. Ehe wir aber wie die Pilger die Canònica betreten, machen wir einen Abstecher zur Font del l´Abat Rigau.  Sie liegt etwas abseits von den Klostergebäuden, am Ende des verwilderten Gartens, den der Abt Cosme Damià i Hortolà anlegen ließ. Er trug anscheinend nicht umsonst den Namen "Gärtner" (Hortolà).

 

Mit dem aus dem Quellrohr fließenden Wasser benetzt sich der Leiter die Augen und berichtet, dass das Wasser als heilkräftig für Augenleiden galt. Er erzählt aber auch die Ursprungslegende der Quelle, die entsprang, als der Abt Rigau - Gründer der Canònica - durch einen heftigen Tramuntana-Wind vom Kirchturm geweht wurde. Dank seiner sich fallschirmartig öffnenden Kutte landete er unverletzt auf dem Boden. Natürlich war es die von ihm verehrte Gottesmutter, die ihn rettete und gleich auch noch der von ihm geleiteten geistlichen Gemeinschaft eine Quelle zur Bewässerung der Gärten schenkte.

 

Font del l´Abat Rigau: Die Quelle geht auf die Anfangszeit des Klosters zurück (11. Jh.), das Waschhaus (Rentador) auf den Anfang des 20. Jh., das dahinterliegende Wasserbecken (Bassa) stammt aus dem Mittelalter. Das ihm zufließende Wasser galt als heilkräftig (Augen). Der Sage nach ist die Quelle nach einem unfreiwilligen „Flug“ des Abtes Rigau vom Kirchturm bei seiner „Landung“ entsprungen.

Doch nun geht zum "Kloster" - aber ein Kloster ist es ja eigentlich nicht, sondern eine "Canònica". Das bezeichnet ein Gemeinschaft von zusammenlebenden Priestern. Sie haben keine Mönchsgelübde wie z. B. die Benediktiner abgelegt - dürfen also ihren Tätigkeiten außerhalb der Wohnanlage nachgehen. Sie leben aber auch nach geistlichen "Regeln", "kanonisch" mit dem kirchlichen Fachwort.

 

Erfreulicherweise treffen wir - wie erwartet - auf nur wenig Besucher außer uns. So können wir in aller Gemächlichkeit durch die Anlage streifen und unsere Beobachtunge und Entdeckungen machen.

 

Eine Aufgabe war, im Kreuzgang und am Eingang zur Kirche die einzigen Skulpturen zu entdecken. Sie sind sehr versteckt angebracht, denn der Reformorden des Abtes Rigau verpönte aufwendigen Skulpturenschmuck an den Säulen und Säulenkapitellen, wie er etwa bei den Benediktinern üblich war.

 

Wir ließen auch den harmonischen Eindruck der Säulenfenster des Kreuzganges auf uns wirken, der durch einige architektonische Tricks Platzbeschränkungen ausgleicht.

 

Auch die große lichte Kirche besticht durch einfache und harmonische Gestaltung, wie sie die fortgeschrittene Baukunst der späten Romanik möglich machte. Das bescheidene Epitaph des Königs Alfonso I.  und das kostbare gotische Vortragekreuz in der Grablegekapelle der Vizegrafenfamilie Rocaberti (Perelada) wies uns darauf hin, dass die Canònica sich der Gunst hochadliger Familien erfreute und auch eine Stätte bedeutender historischer Ereignisse war.

 

Lange verweilten wir vor den (leeren, weil von französischer Soldadeska entweihten) Sarkophagen des Gründers der Anlage, Rigau, und des bedeutenden Abtes des 16. Jahrhunderts, Damià i Hortolà. Dabei erfuhren wir einiges aus dem Leben dieser Äbte, u. a. von dem mißglückten Seligsprechungsprozess von Pere Rigau. Wie es heißt, sollen die Dokumente der päpstlichen Seligsprechung durch einen Schiffbruch verloren gegangen sein.

 

 

Canònica Santa Maria: Eine klosterähnliche Einrichtung wurde von dem Priester Pere Rigau oder Rigall aus Rabós an einem kleinen Kirchlein in Vilabertran gegründet. Der Reformpriester sammelte um 1160 andere Priester neben sich, die nach der Regel (Kanon) des Kirchenvaters Augustin lebten. Die Regel fordert ein gemeinschaftliches einfaches und beispielhaftes christliches Leben. Durch Stiftungen von Adligen war der Bau einer großen Kirche möglich, die um 1100 vom Bischof von Girona geweiht wurde. Die Gemeinschaft erhielt die offizielle Anerkennung, bekam verschiedene Rechte und Rigau wurde als Abt eingesetzt. Die Canònica wurde viel von Pilgern und Ratsuchenden aufgesucht, Adlige hinterließen vor der Teilnahme an den Kreuzzügen ihr Testament und andere fanden dort ihre Grablege, alles verbunden mit Stiftungen.

 

Die spätromanische, nach benediktinischem Vorbild gestaltete Anlage mit Kirche (ein Glockenturm), Kreuzgang, Schlafsaal (Dormitorium), Speisesaal (Refektorium), Versammlungsraum (Kapitelsaal) und Wirtschaftsräumen drückt in ihrer einfachen und harmonischen Gestaltung den Geist der frühen Gemeinschaft aus. Ein außerhalb des den Kanonikern vorbehaltenen Bereichs gelegenes Hospitalgebäude aus dem 12. Jh. diente der Aufnahme von Pilgern und Pflegebedürftigen. Im 14. Jh. kam die gotische Grabkapelle der Vize-Grafen Rocaberti (aus Perelada) dazu, im 15. Jh. der Abtspalast. Das Kloster wurde befestigt. 1592 ließ Philipp II. die Canònica säkularisieren und in eine Schule umwandeln, mit den Priestern als Lehrer. Im 17. Jh. fügte man die „Capella dels Dolors“ (Kapelle der Schmerzen Jesus und Mariens) an. 1835 wurden die Anlagen vom Staat enteignet („desamortisiert“) und gingen in Privatbesitz über – bis auf die Kirche, die Gemeindekirche wurde. Das Abtshaus war ab 1901 evangelische Schule.

 

Betrachtenswert in der Rocaberti-Kapelle ist das große und kunstvolle gotische Vortragekreuz („Veracreu“). Es wurde vielleicht 1295 aus Anlass der kirchlichen Trauung von König Jaume II. und Blanca von Anjou in der Canònica gestiftet.

 

Am Eingang der Grabkapelle ist eine Tafel mit lateinischer Inschrift in die Wand eingelassen, die darauf hinweist, dass hier das Herz des ersten Grafen-Königs von Barcelona/Aragon Alfonso I. bestattet ist.

 

„Ich war Ildefonsus, ein Mächtiger unter den Mächtigen, nun bin ich nicht mehr, der ich einst war, es liegt hier der wichtigste Teil von uns.“

 

Sehenswert sind auch die Sarkophage der Äbte Pere Rigau (gest. 1114) und Cosme Damià i Hortolà (1493-1568). Letzterer war Konzilstheologe (Trient) und erster Rektor der Universität Barcelona.

 

 

Der Sarg des fast zum „Seligen“ erhobenen Rigau trägt die lateinische Inschrift in Versform:

 

„Es sei belehrt, der es nicht weiß, hier ruht der Abt Petrus. Und fürchte dich nicht zu irren, jener war Petrus Rigualli.“

 

Nach soviel geistlicher Sättigung verspürten wir ordentlichen Hunger und begaben uns über den Kirchenvorplatz wieder in das Lokal "La Sínia". Es hat seinen Namen nach einer im Inneren befindlichen Sínia. Der Wirt kennt uns von früheren Besuchen her,  was sich natürlich vorteilhaft bemerkbar macht. Seinerzeit haben wir vorzügliche Lammgerichte genossen. (Das Fleisch bezieht der Wirt von einem ihm bekannten Schäfer.) Diesmal wählte jeder, was er wollte, aber es schmeckte wieder alles gut und wir genossen den gemeinschaftlichen Ausklang der Exkursion.

 

Noch ausführlicher wird die Geschichte der Canònica in einem Blog-Artikel erzählt.